Schädelhirntrauma versus Versicherungen / Berufsgenossenschaften
Den Versicherungen sind solche verletzungsbedingte Unfallfolgen ein „Dorn im Auge“, die medizinisch nicht eindeutig diagnostizierbar sind bzw. die anhand bildgebender (Röntgen u. Kernspin) Befunde nicht eindeutig bestätigt werden können. Bekannt ist diese Thema aus dem Bereich des so genannten unfallbedingten HWS-Schleudertraumas. Ein jeder Anwalt, der in dem Bereich des Verkehrsunfallrechts tätig ist, kann mit Sicherheit von seinen Auseinandersetzungen mit den Versicherungen Geschichten erzählen.
Auf eine nicht unähnliche, dafür aber nicht so verbreitete Konstellation trifft man in dem Bereich der Schädelhirntrauma Patienten, zum Teil aber mit verheerenden Folgen für die Unfallopfer.
Das Schädelhirntrauma, also die Verletzung des Schädels mit Hirnbeteiligung, hat mit dem Schleudertrauma gemeinsam, dass in vielen Fällen die Bildgebung, also die Ergebnisse der Kernspin- und Computertomografien, nicht mit den geltend gemachten Folgen in Übereinstimmung zu bringen sind. Nicht selten sind die bildgebenden Befunde unauffällig bzw. nahezu unauffällig.
Für viele Patienten beginnt nun ein Leidensweg. Während die behandelnden Ärzte der „angeblichen“ mangelnden Übereinstimmung keinerlei Bedeutung zumessen, müssen sich viele Patienten irgendwann einem Gutachter stellen, da versicherungsrechtliche Ansprüche zur Entscheidung anstehen.
Mit dem Argument, die geltend gemachten Folgen des Schädelhirntraumas korrelieren nicht mit den Befunden aus der Kernspin- bzw. Computertomografie, wird dann nicht selten eine organische Ursächlichkeit abgelehnt. Einfach ausgedrückt: Wir finden keine passende Hirnschädigung in der Bildgebung. Da oftmals die Symptome nicht ernsthaft „wegzudiskutieren“ sind, soll allenfalls eine psychische Fehlverarbeitung des Unfalles vorliegen, was nicht unter das versicherte Risiko fällt.
Angesichts gefestigter medizinischer Erkenntnisse einerseits und aufgrund eines sich (ganz) langsam andeutenden Wandels in der Rechtsprechung dürfen sich betroffene Patienten berechtigte Hoffnung machen, dass in einigen Fällen diesen Argumenten zukünftig erfolgreich „der Zahn gezogen werden kann“.
Denn viele Gutachter suchen nur nach den üblichen, fokalen Hirnschäden, die in umschriebenen, begrenzten Hirnbereichen stattfinden und durch die Bildgebung erfasst werden (z.B. Hirnblutung). Seit einiger Zeit ist aber in der Medizin anerkannt, dass es daneben auch nicht umschriebene, diffuse Schädigungen, insbesondere die diffusen axonalen Hirnschädigungen (DAI), gibt. Hierbei handelt es sich um Scher- bzw. Zerreißverletzungen von Nervenfasern im Inneren des Gehirns, die oft durch Verkehrsunfälle entstehen. Die Darstellung des DAI ist mit den zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren zurzeit (2008) noch nicht befriedigend und daher durch die Bildgebung nicht bzw. nur schwer zu erfassen.
Hieraus folgt, dass das Ergebnis der Bildgebung in vielen Fällen nicht mehr das ausschlaggebende Argument sein kann.
Mit der Tinnitus Entscheidung hat zudem der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass Versicherungsschutz (hier Unfallversicherung) auch dann bestünde, wenn der Versicherte durch den Unfall beispielsweise hinorganisch beeinträchtigt wird, was dann seine Psyche krankhaft verändere.
Demnach sind krankhafte Störungen, die eine organische Ursache haben, nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, auch wenn im Einzelfall das Ausmaß von der psychischen Verarbeitung durch den Patienten abhängt.
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Jedenfalls scheint die Rechtsprechung „Hand in Hand“ mit der Medizin endlich in die richtige Richtung gehen zu wollen.
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